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Migräne verstehen und behandeln – mit 3 effektiven Übungen

Lesezeit: 11 Minuten

Etwa zehn Prozent der Bevölkerung leiden an der neurologischen Erkrankung Migräne. Dabei tritt sie bei Frauen ungefähr dreimal so häufig auf wie bei Männern. Unerträgliche und hämmernde Kopfschmerzattacken in Verbindung mit Übelkeit, Erbrechen und neurologischen Ausfällen können Hinweise auf eine bestehende Migräne sein. Wie du sie erkennst und mit und ohne Medikamente – zum Beispiel durch neurozentrisches Training – schnell behandeln kannst, erfährst du in diesem Artikel.


Inhalt
Migräne ist vererbbar
Bis 72 h außer Gefecht: Migräne (mit Aura) erkennen
Hormone, Kaffee, Verspannungen? Die häufigsten Migräne-Auslöser
Migräneanfall: das passiert im Gehirn
Der Unterschied zu Kopfschmerzen
Migräne bei Kindern: früh erkennen und behandeln
Migränebehandlung mit und ohne Medikamente – so geht's
Stärke die Verbindung zwischen Gehirn und Körper
3 effektive Migräneübungen aus der Neuroathletik
Chronische Migräne ohne Therapie – Gefahr für Herz und Psyche?

Fazit: Migräne verstehen und gezielt entgegenwirken


Migräne ist vererbbar

Die Zahl der unter Migräne leidenden Patienten ist in Industrieländern in den vergangenen vier Jahrzehnten stetig angestiegen und gehört zu den sogenannten Zivilisationskrankheiten, die auch oft als „Wohlstandskrankheiten“ beschrieben werden. Aufgrund sogenannter Zwillingsstudien wird angenommen, dass nicht nur die Anfälligkeit für Depressionen, sondern auch jene für Migräne vererbt werden kann. Dabei ist das tatsächliche Auftreten der Erkrankung aber von weiteren Faktoren abhängig. Bei etwa 50 bis 60 Prozent der betroffenen Frauen und 40 Prozent der betroffenen Männer wird eine solche erblich bedingte Veranlagung für Migräne vermutet.

Bis 72 h außer Gefecht: Migräne (mit Aura) erkennen

Bei den meisten Migränepatienten kommt der Anfall plötzlich und ohne Vorwarnung, häufig begleitet von pulsierenden Kopfschmerzen, die bis zu 72 Stunden anhalten können. Tageslicht wird kaum erträglich, und die Reizempfindlichkeit gegenüber Gerüchen und Geräuschen wird verstärkt, weshalb Betroffene oft instinktiv einen ruhigen, abgedunkelten Raum aufsuchen. Neben den starken Schmerzen treten häufig Übelkeit, Erbrechen, Müdigkeit und manchmal Heißhunger oder Verdauungsprobleme auf.

Einige Menschen können jedoch bereits vor den Kopfschmerzen erkennen, dass ein Anfall bevorsteht. Diese Anzeichen, die als „Migräne-Aura“ bezeichnet werden, können bereits Tage vorher mit psychischen, neurologischen und vegetativen Auffälligkeiten beginnen und sind vollständig reversibel. Typische Symptome einer Aura sind Sehstörungen (z. B. einseitiges Sehen), Sprach- und Hörstörungen sowie motorische Ausfälle wie Kraftverlust in Armen und Beinen. Diese Phase klingt meist ab, bevor die eigentlichen Kopfschmerzen einsetzen, und hinterlässt keine bleibenden Symptome.

Hormone, Kaffee, Verspannungen? Die häufigsten Migräne-Auslöser

Die steigende Zahl der Migränefälle in den letzten Jahrzehnten deutet darauf hin, dass Umweltfaktoren wie Stress, Schlafmangel und ungesunde Ernährung Anfälle begünstigen können. Auch hormonelle Schwankungen, etwa während des Menstruationszyklus, plötzliche Wetterwechsel und bestimmte Gerüche gelten als mögliche Auslöser.

Einige Lebensmittel und Genussmittel wie Alkohol, Kaffee und bestimmte Käsesorten werden ebenfalls oft von Patienten als Auslöser identifiziert. Muskuläre Verspannungen, besonders in der Schulter- und Nackenpartie, sowie Blockaden im Bereich der Halswirbelsäule, des Kiefers oder durch Fehlstellungen der Füße (z. B. Platt- oder Senkfüße), können ebenfalls Migräne fördern, da sie Spannungskopfschmerzen und Migräne auslösen können.

Auch psychische Belastungen wie übermäßige Sorgen und Ängste tragen häufig zu Migräneanfällen bei und können in kurzer Zeit einen Schub hervorrufen.

Migräneanfall: das passiert im Gehirn

Laut aktuellem Forschungsstand gibt es im Hirnstamm ein „Migränezentrum“, das während eines Anfalls als stark durchblutetes Areal – der sogenannte „Migränegenerator“ – sichtbar wird. Es wird durch eine hohe Reizempfindlichkeit aktiviert und löst den Migräneanfall aus. Eine Migräneattacke beginnt nach einer Theorie mit einer Überaktivität von Nervenzellen im Hirnstamm, die einen bestimmten Nerv reizt. Diese Überreaktion reizt die Fasern des Trigeminusnervs, dessen feine Verästelungen bis in die Wände der Blutgefäße im Gehirn reichen und Schmerzsignale weiterleiten.

Dies setzt Botenstoffe frei, die die Blutgefäße weiten und eine schmerzhafte, nervenbedingte Entzündung verursachen. Diese Entzündung erhöht die Schmerzempfindlichkeit, sodass die Pulsschlagwelle als pulsierender Kopfschmerz wahrgenommen wird. Zusätzlich werden andere Gehirnareale aktiviert, was Begleitsymptome wie Übelkeit, Erbrechen und Licht- oder Lärmempfindlichkeit erklärt.

Mann hält sich die Stirn mit der linken Hand.

Der Unterschied zu Kopfschmerzen

Migräne unterscheidet sich von normalen Kopfschmerzen primär durch die Art und Weise, wie das Gehirn auf Reize wie Geräusche, Licht oder Temperaturwechsel reagiert. Bei Migränepatienten gewöhnt sich das Gehirn nicht, wie üblich, an wiederholte Reize wie Licht oder Lärm. Stattdessen bleibt die sogenannte „Erwartungsspannung“, also die erhöhte Reizempfindlichkeit des Gehirns, konstant hoch. Dadurch reagieren Betroffene selbst zwischen Migräneanfällen empfindlich auf äußere Einflüsse, was die häufige aufkommende Lichtempfindlichkeit erklärt.

Zudem geht eine Theorie davon aus, dass Migräne durch äußere Faktoren wie Stress, Wetterumschwünge oder Hormonveränderungen ausgelöst wird, die zu einer kurzzeitigen Verengung und anschließenden Erweiterung der Adern im Kopf führen. Diese Gefäßerweiterung löst dann mit erhöhter Durchblutung und Dehnung der Gefäße im Kopf den typischen, pulsierenden Schmerz aus, der Migräne von herkömmlichen Kopfschmerzen unterscheidet.

Migräne bei Kindern: früh erkennen und behandeln

Migräne bei Kindern ist oft schwerer zu erkennen, weil sie sich anders als bei Erwachsenen äußert: Der Schmerz betrifft meist beide Kopfseiten und die Stirn, und typischerweise treten Übelkeit, Bauchschmerzen und sogar Erbrechen auf – manchmal auch ohne Kopfschmerzen. Achte darauf, ob dein Kind solche Symptome hat oder auch von „fantastischen Bildern“ (Alice-im-Wunderland-Syndrom) berichtet, denn das können Vorzeichen einer Attacke sein.

Die Migräneanfälle bei Kindern dauern mindestens eine Stunde und sind meist kürzer als bei Erwachsenen. Zur Behandlung empfehlen sich in der Regel Ibuprofen oder Paracetamol in altersgerechter Dosierung sowie vorbeugende Entspannungs- und Atemübungen und ein geregelter Alltag mit ausreichend Schlaf und Bewegung. Auch Hausmittel können lindernd wirken.

Migränebehandlung mit und ohne Medikamente – so geht's

Migräneanfälle können den Alltag ganz schön auf den Kopf stellen. Zum Glück gibt es eine ganze Palette an Methoden, um die Beschwerden zu lindern – mit und ohne Medikamente und Schmerzmittel. Von bewährten Hausmitteln über Sport und regenerierende Übungen bis hin zu Massagen und Physiotherapie – es gibt viele Wege, um die Häufigkeit und Intensität deiner Migräneanfälle spürbar zu senken. Wer zusätzlich mögliche Auslöser analysiert und Stressfaktoren minimiert, hat gute Chancen, die Beschwerden kurz- und langfristig besser in den Griff zu bekommen.

Hausmittel bei Migräne

Auch wenn Migräne sich nicht allein durch Hausmittel behandeln lässt, gibt es einige natürliche Lösungen, die dabei helfen können, typische Migräne-Beschwerden zu mildern. So sind Tees aus Heilkräutern wie Gewürznelken, Ingwer oder Kamille sowie Kaffee mit Zitrone beliebte Mittel, die von Betroffenen oft als wohltuend empfunden werden. Zusätzlich können Kälte- und Wärmeanwendungen oder eine Aromatherapie mit ätherischen Ölen, etwa Pfefferminzöl, für Entspannung sorgen und die Schmerzen verringern.

Klarheit dank Migränetagebuch

Da die Ursachen von Migräne vielfältig sind, ist es empfehlenswert, ein Migränetagebuch zu führen, um individuell herauszufinden, welche Reize die Beschwerden auslösen oder verstärken. Da der Körper oft erst nach Stunden oder sogar Tagen auf bestimmte Auslöser reagiert, ist ein genau geführtes Tagebuch bei der Ursachenforschung sehr hilfreich.

Vor allem jüngere Menschen sollten dabei auch auf emotionale und mentale Reize achten. So können z. B. Liebeskummer oder die intensive Selbstfindungsphase in jungen Jahren das Gehirn überlasten und Migräne begünstigen.

Suche unbedingt einen Arzt auf

Ein Facharzt für Neurologie sollte bei der Abklärung der Schmerzattacken im Kopf unbedingt konsultiert werden. Aufgrund der verschiedenen Migräneformen und den damit verbundenen unterschiedlichen Beschwerden gibt es eine Vielzahl an Behandlungsoptionen, die am besten von einem Arzt untersucht und festgelegt werden können.

Weiterhin besteht die Möglichkeit, dass sich hinter diesen immer wiederkehrenden Schmerzattacken eine ernsthaftere Diagnose versteckt hält. Um dies auszuschließen, sollte die Ursache der Symptome schnellstmöglich abgeklärt werden.

Behandlung mit Medikamenten

Bei der medikamentösen Behandlung von Migräne gibt es sowohl vorbeugende als auch akute Therapieoptionen, um Anfälle zu verhindern oder deren Intensität zu lindern. Zur Prophylaxe chronischer Migräne werden häufig Betablocker eingesetzt, die regulierend auf das Herz-Kreislauf-System wirken und so die Häufigkeit und Stärke der Anfälle reduzieren. Dadurch sinkt auch das Risiko für kardiovaskuläre Folgeerkrankungen wie Schlaganfälle.

Für die akute Behandlung sind Triptane oft die Mittel der Wahl, da sie gezielt auf die Schmerzverarbeitung und die erweiterten Blutgefäße im Gehirn wirken und bei früher Einnahme schnell Linderung verschaffen können. Die Auswahl und Dosierung dieser Medikamente sollten immer mit einem Arzt abgestimmt werden, da sowohl Betablocker als auch Triptane Nebenwirkungen haben können.

Wie helfen Physiotherapie, Osteopathie oder Massagen?

Sollte der behandelnde Physiotherapeut feststellen, dass die Migräneproblematik möglicherweise durch körperliche Dysbalancen bedingt ist, stehen verschiedene Therapiemöglichkeiten zur Verfügung. Je nach betroffener Körperregion können gezielte, individuell angepasste Therapien und Übungen bei Migräne sinnvoll sein.

Mit der manuellen Therapie werden Ungleichgewichte der Muskulatur und mögliche Gelenkblockaden sanft und erfolgreich gelöst. Die besondere Form der manuellen Therapie bei Migräne ist die Behandlung nach Kern. Diese wird gezielt in akuten und chronischen Krankheitsverläufen sowie auch prophylaktisch eingesetzt.

Osteopathie zeigt ebenfalls gute Ergebnisse: Hier erspürt der Osteopath potenzielle Energieblockaden und löst sie, um den Energiefluss zu fördern. Auch die Triggerpunktbehandlung gilt als hilfreich, insbesondere bei Verspannungen der Muskeln im Nacken, die Schmerzen bis in den Kopf ausstrahlen können.

Ergänzend bieten spezifische Massagetechniken wie die Thaimassage oder Akupressur an den Meridianen eine weitere Möglichkeit, Migräne zu lindern und dem schmerzhaften Kreislauf entgegenzuwirken.

Frau läuft vor einem Bergpanorama und trägt den ARTZT neuro SoundVibe Knochenschallkopfhörer.

So wichtig sind Entspannung und Sport

Zusätzlich zur Therapieform, die durch den Physiotherapeuten ermittelt wurde, ist es sinnvoll, in der Freizeit einem Ausgleichssport nachzugehen. Gerade Ausdauersport wie Joggen, Schwimmen oder Radfahren fördert die Durchblutung, unterstützt den Stressabbau und verbessert die allgemeine körperliche Fitness. Besonders Menschen mit überwiegend statischer oder einseitiger Arbeit sollten ihrem Körper ausreichend Erholungsphasen und Ausgleich anbieten.

Dazu gehören neben klassischer Büroarbeit auch Pflegeberufe, Fließbandarbeit, Berufe im Einzelhandel oder handwerkliche Tätigkeiten. Methoden wie autogenes Training, Meditation, Yoga und die progressive Muskelentspannung nach Jacobson helfen dabei, Körper und Geist in Einklang zu bringen und Migräne vorzubeugen. Diese Techniken fördern das Körpergefühl, lehren den Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung und können außerdem gegen Schlafprobleme und Ängste helfen.

>> Lesetipp: 5 Neuroathletik Übungen bei Kopfschmerzen

Wie gesunde Ernährung helfen kann

Die Ernährung spielt eine bedeutende Rolle bei der Vorbeugung und Behandlung von Migräne. Hier ein paar Tipps:

  • Magnesiumreiche Ernährung: Nahrungsmittel wie Spinat und Kürbiskerne können Migräneanfälle lindern, da Magnesium häufig bei Migräne fehlt
  • Koffein in Maßen: Kleine Mengen Koffein wirken lindernd, während zu viel Koffein oder abrupter Verzicht Migräne verschlimmern kann​
  • Trigger-Lebensmittel vermeiden: Einige Nahrungsmittel, wie gereifte Käsesorten, enthalten Histamine und Tyramin, die Migräne auslösen können. Auch Alkohol, Schokolade und verarbeitete Lebensmittel gelten als typische Trigger.
  • Regelmäßige Mahlzeiten: Durch regelmäßiges Essen bleibt der Blutzucker stabil, was Migräneanfällen vorbeugen kann​

Botox: Hilfe bei 15+ monatlichen Kopfschmerztagen

Botox (Botulinumtoxin A) ist ein zugelassenes Mittel zur Vorbeugung chronischer Migräne und wird vor allem bei Patienten angewendet, die monatlich 15 oder mehr Tage mit Kopfschmerzen haben. Es wirkt, indem es Schmerzimpulse blockiert, die zwischen Nerven und Muskeln verlaufen. So kann die Häufigkeit und Intensität der Anfälle deutlich reduziert werden. Die Behandlung umfasst mehrere Injektionen in bestimmte Kopf- und Nackenbereiche und muss etwa alle drei Monate wiederholt werden, um eine stabile Wirkung zu erzielen.

Stärke die Verbindung zwischen Gehirn und Körper

Beitrag von Arzt und Neurowissenschaftler Hady Daboul

Neuroathletik und neurozentrisches Training sind Ansätze, bei denen du durch gezielte Übungen dein Nervensystem trainierst – so verbesserst du Bewegungen, Körperwahrnehmung und Leistungsfähigkeit. Neurozentrisches Training stärkt die Verbindung zwischen Gehirn und Körper; Neuroathletik konzentriert sich als Teilbereich dabei speziell auf sportliche Leistung und Reaktion.

Unser Gleichgewichtssystem, die Nackenmuskulatur und unsere Augen arbeiten dabei immer eng zusammen. Kein Muskel im Körper kann sich so präzise bewegen wie unsere Augen. Ist unser Nacken jedoch instabil und unser Balancesystem inakkurat, können unsere Augen ihre vollen Fähigkeiten nicht entfalten. Sie müssen dann sozusagen auf einem wackeligen Fundament äußerst präzise Bewegungen ausführen. Die Folge: Visuelle Reize sind überfordernd.

So kann neurozentrisches Training helfen

Propriozeption ist die Fähigkeit, Informationen aus der Körperperipherie aufzunehmen, zu verarbeiten, um dann zu wissen, wo sich die einzelnen Gliedmaßen im Raum befinden. Neurozentrisches Training schaut sich von der Informationsaufnahme, -verarbeitung bis zur Bewegungsentstehung und -ausführung alle Schritte an und überprüft, wo genau etwas kompensiert wird. Das Lösen dieser Kompensationsmechanismen birgt großes Potential für Bewegungs- und Schmerzproblematiken.

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Gezielte Reize gegen Migräne

Hier kommt neurozentrisches Training ins Spiel. Durch gezielte Reizsetzung und strukturelles Aufarbeiten von zentralen Strukturen werden Systeme rund um Nacken, Augen und Gleichgewicht stabilisiert. Visuelle Reize sind nicht mehr in dem Maße überfordernd und Attacken können so reduziert werden – in Frequenz und Intensität.

Welche Hirnareale aufgebaut und gestärkt werden sollten, ist bei jedem unterschiedlich. Im Training bedienen wir uns leichter Bewegungstests, um genau das herauszufinden. Unter anderem nutzen wir den Ansatz aktuell in unserer App „heyvie“ (Download: App StoreGoogle Play) zur Anwendung bei Migräne, sie ist dein digitaler Coach für Migräne.

Portrait Hady Daboul

Hady Daboul ist Arzt, Neurowissenschaftler sowie Z-Health Master Coach

Wie Balance und Körpergefühl Migräne beeinflussen

Bewegung stützt sich auf drei Systeme: das visuelle, das propriozeptive (räumliche Körperwahrnehmung) und das Gleichgewicht. Beim Greifen, z. B. nach einer Kaffeetasse, müssen diese Systeme harmonisch zusammenarbeiten, um Präzision und Stabilität zu gewährleisten.

Fehlen Informationen, wie nach einer Verletzung am Handgelenk, passt das Gehirn die Bewegung an und nutzt den gesamten Arm, statt nur das Handgelenk. Diese Anpassung ist zwar hilfreich, kostet jedoch mehr Energie und belastet andere Körperbereiche. Das kostet mehr Energie und führt auf Dauer zu Überlastung und möglicherweise Schmerzen oder Migräne, wenn die Kompensationsfähigkeit des Gehirns und Körpers erschöpft ist.

Wir haben nicht nur ein System, für das wir kompensieren müssen, sondern mehrere. Zwar arbeiten diese Systeme redundant und können Teile der Arbeit des anderen übernehmen, dennoch ist diese Kompensation ab einem gewissen Punkt ausgereizt. Die Folgen: Schmerzen, Unbeweglichkeit oder auch Krankheiten wie Migräne, da das Gehirn permanent überlastet ist und diese Anspannung in Form von Kopfschmerzattacken „abbaut“.

Wie hilft das Menschen mit Migräne?

Hady Daboul: Bei Menschen mit Migräne beginnen wir häufig damit, die Propriozeption (die Wahrnehmung der eigenen Körperposition) und die Oberflächensensibilität im Nacken gezielt zu trainieren. Sind wir nicht in der Lage, unseren Nacken bewusst adäquat zu spüren und zu bewegen, ist die reflexive Kontrolle, auf die wir nun einmal angewiesen sind, beeinträchtigt. Wir bringen unseren Kundinnen und Kunden also bei, ihre Nackenmuskulatur präzise anzusteuern.

Das Ziel des Ganzen: Das Wiedererlernen von Bewegungen, die eventuell nicht mehr ausgeführt wurden, weil das Gehirn aus Sicherheitsgründen diese Bewegungen blockiert hat. Ähnlich dem abgekippten Handgelenk sehen wir bei Migräniker:innen oft eine fehlende Kontrolle in der Nackenmuskulatur.

3 effektive Migräneübungen aus der Neuroathletik

Unter Migräne und Spannungskopfschmerzen leiden viele Menschen. Vor allem, wer viel Zeit am Bildschirm verbringt, plagt sich häufig mit migräneartigen Kopfschmerzen hin zu müden Augen oder gar Sehstörungen. Neuroathletiktrainer Kevin Grafen zeigt dir unten im Video die besten Neuroathletik Übungen, die du bei solchen Problemen machen kannst.

Übung 1: Kopfmassage

Für die erste Übung führst du deine Hände, genauer gesagt die Spitzen von Zeige- und Mittelfinger, jeweils rechts und links der Wirbelsäule am Hals entlang, bis du die Schädelkante fühlst. Die dort ansetzende Muskulatur ist häufig extrem verspannt und kann Migräne und Spannungskopfschmerz auslösen. Hier massierst du nun kreisförmig mit einem dir gerade noch angenehmen Druck für circa je zehn bis 15 Wiederholungen nach rechts und links. Beide Seiten, versteht sich! Dann gehst du mit einer Hand noch etwas weiter in die Mitte und etwas höher – im Video siehst du genau, wo das ist. Dort befindet sich ein Sehnenansatz, den du ebenfalls wieder mit leichtem Druck kreisförmig stimulierst.

Übung 2: Augenmassage

Was die wenigsten wissen: Häufig bekommen wir Migräne, weil die Augen zu viele Informationen an unser Gehirn liefern und das Gehirn dann überlastet ist. Mit einer aktiven Massage deiner Augen wie in Übung zwei, bei der mit leichtem Druck zunächst der untere, dann der obere Augenrand beidseitig massiert wird, können Augen und Gehirn sofort entspannen. Nach der Massage werden beide Hände verdunkelnd für circa eine Minute über die Augen gelegt, was für noch tiefere Entspannung sorgt.

Übung 3: Entspannung

Für die dritte Übung macht sich Kevin die Wirkung der Farbe auf Augen und Gehirn zunutze. Grüne Lichtwellen wirken entspannend, das heißt, mit der grünen Farbbrille aus der Neuroathletik kann der Kopfschmerz nicht nur sofort gelindert werden, sondern diese kann auch im Alltag nahezu überall präventiv eingesetzt werden. Wer häufig unter migräneartigen Kopfschmerzen leidet, weiß: Einen Versuch ist es wert!

Chronische Migräne ohne Therapie – Gefahr für Herz und Psyche?

Langfristig unbehandelte Migräne kann erhebliche gesundheitliche Auswirkungen haben. Studien zeigen, dass chronische Migräne das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Schlaganfälle und Herzerkrankungen erhöhen kann, besonders bei Betroffenen über 50 Jahre. Auch die Psyche leidet häufig unter den dauerhaften Schmerzen: Depressionen und Angststörungen kommen bei Migränepatienten überdurchschnittlich oft vor, da die Krankheit die Lebensqualität massiv beeinträchtigen kann​. Zudem kann die wiederholte Einnahme von Schmerzmitteln ohne ärztliche Überwachung zu sogenannten „Medikamenten-Übergebrauchskopfschmerzen“ führen und Leber- oder Nierenschäden verursachen​.

Fazit: Migräne verstehen und gezielt entgegenwirken

Migräne ist mehr als nur ein Kopfschmerz. Sie ist eine komplexe neurologische Erkrankung, die das tägliche Leben von Millionen Menschen erheblich beeinträchtigt. Doch je mehr wir über die Ursachen und Mechanismen der Migräne erfahren, desto besser können wir gezielte Maßnahmen ergreifen, um ihre Auswirkungen zu mildern. Die Verknüpfung von wissenschaftlicher Forschung und innovativen Trainingsmethoden, wie sie in der Neuroathletik zu finden sind, bietet neue und vielversprechende Perspektiven für Betroffene.

Mit sorgfältig geführten Tagebüchern für Migräne, physiotherapeutischen Behandlungen und individuellen Neuroathletik Übungen können wir nicht nur Linderung finden, sondern auch die Häufigkeit und Intensität der Migräneattacken reduzieren. Es zeigt sich deutlich: Ein tieferes Verständnis des Zusammenspiels von Kopf und Körper, gepaart mit gezielten Trainingseinheiten, eröffnet neue Wege in der Bekämpfung von Migräne.

Lass dich von den Möglichkeiten der Neuroathletik inspirieren und entdeckt, wie eine individuell abgestimmte Trainingsroutine eure Lebensqualität nachhaltig verbessern kann. Bleib dran, bleib neugierig und denke immer daran – dein Weg zur Besserung beginnt im Kopf.


Quellen
leben-und-migraene.de/migraene
americanmigrainefoundation.org/resource-library/migraine-and-diet
www.luks.ch/newsroom/wie-botox-die-behandlung-von-migraene-veraendert
www.headpaininstitute.com/the-effects-of-untreated-chronic-migraines

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