Prof. Wolfgang Sickenberger
Wolfgang Sickenberger ist Professor für Physiologische Optik und Optometrie an der Ernst Abbe Hochschule Jena. Dort leitet er den Studiengang Optometrie und Vision Science, sowie das Forschungsinstitut JenVis Research.
Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet der Optometrie, der optischen Versorgung von Fehlsichtigkeiten sowie der Erforschung des trockenen Auges. Ferner ist er Spezialist für gutes Sehen im Profisport und versorgt u.a. Athleten diverser Nationalmannschaften sowie Bundesligamannschaften.
Prof. Sickenberger ist ein gefragter Referent auf nationalen und internationalen Tagungen und Autor von über 200 Wissenschaftsartikeln sowie Fachbuchautor.
Screening von Sehfunktionen bei Hochleistungssportlern
Ist eine Sehschärfe von 100 % ausreichend für den Sport? Welche Sehtests und Sehfunktionen sind bei der Ausübung von Sport relevant und wie werden diese gemessen, verbessert oder korrigiert?
Das Sehen ist zweifelsfrei das wichtigste Sinnesorgan für die Ausübung der meisten Sportarten. Je nach Sportart haben Athleten verschiedene Aufgaben zu bewältigen, bei denen sehr gute visuelle Fähigkeiten Vorteile bei der Sportausübung mit sich bringen. Beispielsweise bei der Orientierung und Wahrnehmung im Raum, dem Gleichgewicht, der Kontrolle der Eigenbewegung oder dem Beobachten und Abschätzen des gegnerischen Verhaltens ist die visuelle Wahrnehmung ausschlaggebend, wie schnell und wie genau wird das gegnerische Verhalten erkannt und verarbeitet.
Auch ein Trainer oder Schiedsrichter hat bei der Beobachtung und Beurteilung von Bewegungen und Spielvorgängen anspruchsvolle Sehaufgaben zu leisten. Oft ist es den Sportlern und Trainern nicht bewusst, dass gutes Sehen eine Voraussetzung für sportliche Leistungen ist. Auswertungen zur Sehleistung von Profisportler zeigen, dass ca. ein Drittel der Profisportler nicht optimal sehen, teilweise ohne dies selbst zu wissen! Hier kann die Sportoptometrie eine Lücke in der Versorgung von Sportlern füllen – z.B. über spezielle Sportsvision-Screenings.
Die visuelle Leistungsdiagnostik bei Athleten verfolgt das Ziel, den aktuellen visuellen Zustand des Sehsystems festzustellen und bei bestehender Notwendigkeit die optimale Korrektur zu finden bzw. eine bereits bestehende zu optimieren. Ermittelte Defizite werden dabei nicht nur durch verschiedene Brillengläser, Kontaktlinsen oder chirurgische Korrekturmaßnahmen ausgeglichen, sondern auch durch Sportsvision-Training verbessert.
Solche Trainings können nach verschiedenen Studien (z.B. Knudson & Kluka, 1997; Maman, 2011; Haindl & Sickenberger, 2024) die motorisch- und wahrnehmungsbezogenen visuellen Leistungen positiv beeinflussen und somit zur Steigerung der sportlichen Leistung beitragen.
Bei Screenings des visuellen Systems ist es von besonderer Wichtigkeit, die Umfeldbedingungen so genau möglichst zu simulieren bzw. die Tests direkt an der Sportstätte vorzunehmen. Eine sportoptische Versorgung ist individuell, da die Anforderungen je nach Sportart differieren.
Die Sehaufgaben bei schnellen Sportarten wie z.B. Handball unterscheiden sich von der statischen Sehhöchstleistung im Sportschießen. Sportoptische Tests sollten verschiedene sportartspezifische, relevante Untersuchungsparameter zur Beurteilung des visuellen Zustandes beinhalten, wie z.B.:
- statischer Visus verschiedener Entfernungen
- dynamischer Visus
- Binokularstatus
- Auge - Hand-Koordination
- Tiefensehschärfe und räumliches Sehen
- Kontrastempfindlichkeit
- Farbsehen
- Augen-Dominanz
- peripheres Sehen und Bewegungswahrnehmung
- visuelle Ausdauer und Belastbarkeit, z.B. Akkommodation und Akkommodations-flexibilität
- Augenmotorik (Augenfolgebewegungen, Sakkaden, Fixation
Der Vortrag gibt einen Überblick über die Verfahren der visuellen Leistungserhebung im Rahmen von optometrischen Sportsvision-Screenings. Ferner werden Ergebnisse bisheriger Analysen in verschiedenen Sportarten präsentiert und ein Ausblick auf die Möglichkeiten der Korrektion sowie der Optimierung des Sehens im Profisport gegeben.