Interview mit Athletiktrainer Dominik Suslik über Neuroathletik im Fußball
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Dominik, du bist Athletiktrainer beim Nachwuchsleistungszentrum der Fußballmannschaft Hannover 96. Was genau ist deine Aufgabe?
Ich bin jetzt seit vielen Jahren für Hannover 96 im Leistungszentrum in der Medizinischen Abteilung tätig. Schwerpunkt der Abteilung ist es, Gesundheitsmanagement im Profisport zu etablieren. Und da sind wir mittlerweile auf einem sehr guten Weg.
Das Athletiktraining hat in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen. Wie beurteilst du diese Entwicklung?
Im Grunde war es bis zum Jahre 2006, dem Jahr der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland so, dass das Thema Athletiktraining hier noch gar nicht so präsent war. Damals kam es über Mark Verstegen von Athletes’ Performance und über die Fußballnationalmannschaft so langsam auf den deutschen Markt und hat sich dort über die letzten 10 Jahre etabliert.
Ich sehe es insgesamt als positive Entwicklung, man muss jedoch zusehen, dass man Fitness- und Athletiktraining nicht zu sehr miteinander vermischt. Grundsätzlich spielen eine gute Athletik sowie gute konditionelle Fähigkeiten eine wichtige Rolle für sämtliche Spitzensportler.
Wie wichtig ist aus deiner Sicht die interdisziplinäre Zusammenarbeit im Athletiktraining im Fußball?
Niemand schafft es, den Athleten im Alleingang besser zu machen. Gerade im Teamsport, wo wir über Fachtrainer, Co-Trainer, Ärzte, Physiotherapeuten, Athletik- und Rehatrainer sowie den sogenannten Präventionstrainer verfügen, ist es unheimlich wichtig, die einzelnen Expertisen optimal miteinander zu verbinden. Der Einzelne als solcher wird niemals erfolgreich sein.
Am Ende geht es darum, klare Hierarchien festzulegen und trotzdem auf Augenhöhe zu kommunizieren, um am Ende die bestmöglichen Ergebnisse erzielen zu können.
Wie siehst du als Athletiktrainer das Thema Neuroathletik im Fußball?
Ich bin der Meinung, dass wir hinsichtlich des Zusammenspiels von Gehirn und Körper in den letzten Jahren extrem spannende Entwicklungen erkennen konnten. Angefangen in Deutschland im Jahre 2006 durch Jürgen Klinsmann und dessen mitgebrachten Trainingsmethoden, sind gerade in den letzten Jahren unheimlich viele Methoden im biomechanischen Bereich auf den Markt gekommen, wie Bewegungsanalysen und Präventivdiagnostiken, wo wir uns vermehrt dem Thema Beweglichkeit und Stabilität auf Gelenkebene gewidmet haben.
Jetzt ist es so, dass mit dem Begriff Neuroathletik ein neuer Trend unterwegs ist, der eigentlich von den einzelnen Methoden her schon seit Jahren existiert. Wir widmen uns zunehmend dem Thema der visuellen Fähigkeiten oder setzen gezielte Gleichgewichtstrainingsmethoden ein. Aber auch Sensorik und Wahrnehmung, also die Verbesserung des Input des Gehirns, rücken mehr und mehr in den Vordergrund.
Ich sehe da ein riesiges Potenzial, was jedoch nicht bedeutet, dass es jetzt plötzlich nur noch um Gehirn und Bewegung geht und alles, was an Biomechaniken und Faszien-Therapiemethoden auf einmal irrelevant geworden ist. Am Ende gilt es eben, diese beiden Bereiche zu einem optimalen Gesamtkonzept zu verbinden und aus jeder Richtung die Rosinen herauszupicken.
“Mit dem Begriff Neuroathletik ist ein neuer Trend unterwegs, der von den einzelnen Methoden her schon seit Jahren existiert.”
Setzt du diese erworbenen Erkenntnisse in der täglichen Trainingspraxis ein?
Ja, definitiv! Das Thema Neurologie erfordert einen enormen Fokus auf Übungsausführung. Teilweise ist es eine Herausforderung, das Ganze in einem Setting mit 20 Athleten umzusetzen. Da gilt es, nach und nach Ideen und Methoden zu entwickeln, die man dann nachher auch im Gruppenszenario umsetzen kann.
Die besten Effekte hab ich bisher im Eins-zu-eins-Setting erzielt - sei es in der Prävention, sei es in der Rehabilitation. Hier kann ich dann mit dem Athleten wirklich ins Detail gehen und sehr spezifisch seine Defizite - visuelle Fähigkeiten, Gleichgewicht oder auch Sensorik - aufarbeiten.
Spielen Fitnessgeräte im Neuroathletiktraining eine Rolle?
Selbstverständlich. Je nachdem, welches Tool du einsetzt, kannst du den Input für das Gehirn und so auch die Beweglichkeit verbessern oder nach meiner Erfahrung sogar Schmerzen reduzieren. Für mich sind die Tools für Neuroathletiktraining extrem spannend, da wir sie sehr gezielt in unser Gesamtsystem aus Athletik und Prävention integrieren können. Insofern spielt der Einsatz von Kleingeräten auch in der Praxis nach wie vor eine große Rolle. Man kann zwar vieles mit dem eigenen Körpergewicht machen, aber am Ende macht’s die Mischung und das Wissen, wie man diese Tools gezielt einsetzen kann.
Zur Person
Dominik Suslik ist Sportwissenschaftler M.A. und Geschäftsführer der PHYSIOCORE Academy. Er arbeitet seit vielen Jahren als Athletiktrainer und ist Leiter Medizin, Gesundheit, Athletik der Hannover 96 Akademie. Im Bereich Athletik- und Personal Training ist er als Ausbilder und Referent deutschlandweit im Einsatz.